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DIE ÜBERFAHRT

HAMBURG / MONDEVIDEO 

25.01.2014 - 24.02.2014

 Nach einer frostigen, klaren Nacht ( -10°C ) nahm ich Abschied vom Pferdehof und es ging Richtung Frachthafen. Wir meldeten uns bei der Speditionsgesellschaft an und fuhren direkt in den 

"Jurassic Park".
Hilfe, die Riesendino`s wollen mich packen!
Links und rechts von mir liessen sie ihre Greifarme nieder.
Juhuiiii, Glück gehabt. Ich entkam! Sie packten nicht mich, sondern viele bunte tonnenschwere Stahlschachteln, die sie auf ein Riesenschiff verfrachteten.
Dank der Escorte eines kleinen Polo - Flitzers wurden wir sicher und ohne Schaden in den Bauch des Grimaldi - Schiffes geführt.


 





 

Ich hatte das Gefühl, als hätte mich ein riessiger Walfisch verschluckt.
Oh Gott, was wollen denn die kleinen asiatischen Fische hier in diesem grossen Bauch?
Ritschratsch und ich war in Ketten gelegt. Es leider kein vor und zurück!
Eine Stunde später fuhr ein hübsches, etwas in die Jahre gekommenes Toyota - Modell des Jahrgangs `88 an meine Seite. Kurzer Hand, ritschratsch, neben mir fixiert. Hähä, es gibt kein entkommen meine Liebe. Du wirst an meiner polierten  Seite bis nach Montevideo schippern.

Um 21.00 ging das Riessenmaul zu und wir fuhren durch ein Lichtermeer die Elbe entlang aufs offene Meer. Die Zeit verging mit dem rhytmischen schaukeln der Wellen und die Stunden verstrichen. 

Einen Tag später erreichten wir abends Antwerpen.




 Das Riessenmaul öffnete sich und eine frische Meeresbriese wehte zwischen meine Räder. Ich sah die kleinen asiatischen Fische geschäftig hin und her flitzen. Hektisch schwirrte die Luft. Ein 13- Tonner Reisemobiel, das aussah, als hätte es schon die ganze Welt gesehen, wurde vor meine Schnauze geparkt. Nach und nach füllte sich der Bauch mit riessigen Landmaschienen, Feuerwehrfahrzeugen und 1300 neuen Pkw`s.



 





Wir lagen zwei Tage im Hafen von Antwerpen und es wurde nonstop auf und abgeladen. Meine Passagiere nutzten die Zeit für einen Landausflug und ich, snief snief, musste mit einer Träne im Scheinwerfer  an Bord ausharren. 
Am Abend des 2. Tages stachen wir wieder in See Richtung Dakar.
Mitten in der Nacht fingen plötzlich meine Feden an ein Eigenleben zu führen. Im Unterdeck fühlte es sich an wie der Weltuntergang! Hohe Wellen  donnerten gegen die Bordwand. Das Schiff schaukelte auf den Schaumkronen und bahnte sich seinen Weg durch die finstere Nacht. Alle Fahrzeuge um mich herum kreischten und ächzten. Man hatte das Gefühl, die Titanic würde versinken.
Am nächsten Tag war die Welt wieder in Ordnung. Mittags bekam ich Besuch von Gianni, der sich vergewisserte, ob ich noch fixiert sei und dass ich keine wichtigen Schrauben verloren hatte.
Die darauffolgenden Tage und Nächte verliefen lang und langweilig...
...bis zu dem Tag, auf Höhe der Kanaren, als eine Delfin - Familie zu uns stiess und uns ein Stück des Weges begleitete. Synchron glitten sie durch die Fluten und hatten ihren Spass in den aufschäumenden Wellen. 
Südlich der Kanaren konnte man die Wärme spüren, die Afrika bald erahnen liess. Die Tage wurden länger und die Sonnenaufgänge fantastischer.



6 Tage auf hoher See, dann endlich erschien Dakar im sandigen Dunst.
 Im Hafen angelangt, herrschten auf dem Schiff verstärkte Sicherheitsmassnahmen. Mein Parkdeck mit den neuen Fahrzeugen wurden komplett abgeriegelt. Ich wusste nicht wiso und was los war???
Auf einmal erschienen mehrere schwarze Menschen mit leuchtenden weissen Augen. Wow!!





Hey yooh, black men - holt ihr die verbeulten Schrottkarren von der oberen Etage?
Eine kurze Zeit später hörte man das geknatter der Wracks, die unserem vergitterten Deck vorbeifuhren und sich zu den Autos auf dem Parkplatz gesellten, die unter einer dicken Staubschicht schliefen. Mit ungläubigen Scheinwerfer - Augen sah ich ihnen hinterher und entdeckte am Rande des Gitters meine zwei Begleiter, die nachschauten, ob bei mir alles okay sei. Zufrieden verschwanden sie in das Zentrum Dakar`s.
Dakar - eine völlig andere Welt. Smog lag in der Luft und Chaos regierte die Stadt...


 



  Unsere Abreise verzögerte sich um einen Tag.
Endlich, am frühen Abend bei Sonnenuntergang, lief unser Schiff aus und wir fuhren dem Horizont Richtung Südamerika entgegen.
Die Tage wurden heisser und eine drückende Schwüle lag in der Luft. Mehrmals entluden sich heftige Regengüsse um die gnadenlose Sonne etwas milder zu stimmen. Auch auf meinem Parkdeck stand die Luft und ich war froh, dass ich mich nicht anstrengen musste.
Zweieinhalb Tage nach unserer Abfahrt in Dakar überquerten wir um 5.30 den Äquator.







Um 10.00 morgens hallte lautes Gekröhle und Gelächter durch die Parkdecks. Ich konnte hören, dass dort oben die Äquator - Taufe stattfand. Die Passagiere und die jüngsten Kadetten mussten dran glauben. Wassermassen klatschten aufs Oberdeck und die jungen Kadetten weinten um ihre Haare. Eine Stunde später war der Spuk vorbei und die Champagner - Gläser klirrten.

 



Nach 5 - tägiger Atlantiküberquerung fuhren wir parallel der Küste Brasiliens. Unzählige fliegende Fische flohen vor unserem Schiff und glitzerten im endlos magischen Tiefblau des Ozeans. Jeden Abend war die Stimmung im Unterdeck magisch. Ich sah, wie das Licht der untergehenden Sonne durch die Frischluftöffnungen der Bordwand drang und das Deck verzauberte. Alles war in ein zartrotes romantisches Licht getaucht.


 


 


Ich wäre gerne näher an mein Toyota- Mädchen gerückt, das ich nun schon seit 18 Tagen anschmachtete, aber leider gaben die Ketten nicht nach...
Santos, die 500 000 Einwohner - Stadt mit der grössten Hochhausdichte war unser nächster Stop.



 
 Als die Laderampe herabgelassen wurde, spürte ich die tropische Feuchtigkeit der Luft und den Gestank des grössten Hafens Brasiliens. Viele meiner lieben grossen Reise - Kollegen verliessen mich hier und wurden über eine 450 Tonnen schwere Rampe hinausgefahren, um hier ihre Dienste zu tun ( Feuerwehr, Flughafen, Landarbeit ). So, jetzt hiess es also Abschied nehmen.
Am Abend, kurz vor einem aufziehenden Gewitter verliessen wir Santos. 
Früh am nächsten Morgen wurde der Motor gedrosselt und das Schiff rüttelte in Samba -Rhytmen. Die Düfte der tropischen Inseln rings um uns, auf denen es viele kleine Strandbar`s gab, zogen durch die Lüftungsschlitze und mein Schnorchel drehte sich kurz um 90°.

Ahhh, limao, acucar, cachaça - mhhh...caipirinha!!
Das wäre sicher etwas für meine Mitfahrer.
Langsam tuckerten wir in den alten Hafen von Paranaguà. 
1300 neue begleidete Pkw`s rollten an mir vorbei. 
Mist!! Ich will auch endlich raus! Aber leider muss ich mich noch gedulden.
Und das Beste war, dass uns dann auch das Wetter einen Strich durch die Rechnung machte. Drei Tage schüttete es vom Himmel und wir konnten leider wegen Sturmwarnung nicht ablegen.
Aber, Gott - sei - Dank, am 4.Tag ging es mit etwas mehr Seegang wieder weiter Richtung Süden.


 

 





Die Farbe des Meeres wechselte vom Tiefblau ins dunkle Grün und schliesslich in ein helles Braun - wir hatten den "Rio de la Plata" erreicht.
Das Schiff stoppte. Prima, wir sind endlich da! Freue mich auf meine Mitfahrer, die mich jetzt glöeich aus meinem Verliess befreien.
Ich wartete und wartete und wartete. Die Stunden verstrichen, aber es tat sich nichts. Im Gegenteil, die Motoren starteten wieder.
Mensch, wieso geht`s  denn jetzt wieder weiter?! Wenn ich doch nur auf der Brücke sein könnte!






Mittlerweile war es finster im Unterdeck. Aber plötzlich funkelten in der Ferne viele Lichter. Kann das nicht Montevideo sein? 
Ne, ne, was ein Bullshit, das muss Buenos Aires sein!
Ca. 8 Stunden  fuhren wir zuerst den "Rio de la Plata" und dann den "Rio Parana" hinauf, bis wir in Zarate stoppten.
UFF, the same procedure than everywhere (die gleiche Prozedur wie immer)!!!
Der einzige Unterschied waren die penetranten Moskitos, die mir auf die Pelle rückten.
Yep, gut dass mich Gianni polliert hat, so haben die Viecher keine Chance an mir zu kleben und den Duft der Polier - Paste können sie wohl auch nicht leiden.
Zwei lange Tage und Nächte musste ich bei den Moskitos und dem anderen Ungeziefer ausharren, bevor es dann bei Sonnenaufgang weiter ging.


 Montevideo ich komme!
Nach vier langen harten Wochen durfte ich nun von Bord rollen.
Japadapaduuu ... jetzt geht`s endlich richtig los !!!